Eine angesehene Wochenzeitung riskiert mit uralter Propaganda ihr Renommee
„Beladen mit Ignoranz“ heißt ein ganzseitiger Beitrag von Frank Drieschner in DIE ZEIT vom 25. Oktober 2014 mit folgenden Tenor: Die Umweltschützer müssten doch eigentlich für die Elbvertiefung sein, weil sie zum Klimaschutz beiträgt, doch was ist dran? Bei näherer Betrachtung bleibt nur viel Wind um eine Märchenstunde übrig.
Die Behauptung, die Elbvertiefung wäre ökologisch sinnvoll, ist längst widerlegt. Der Artikel ist auf diversen Fehlannahmen aufgebaut. Kommen wir einmal zu den Fakten:
1. Alle großen Schiffe laufen HH regelmäßig im Linienverkehr an, und zwar überwiegend tideunabhängig. Als der Artikel geschrieben wurde, war z. B. gerade die „Emma Maersk“ in HH. Sie fahren alle regelmäßig am Tiefwasserhafen JWP vorbei in die angeblich zu flache Elbe.
2. Die großen Schiffe haben dabei auf der angeblich zu flachen Elbe sogar noch viel Platz an Bord. Es wäre einlaufend noch Platz für 2900 und auslaufend für 1600 Container. Weniger als 1 % der Schiffe über 8000 TEU nutzt den auf der Elbe möglichen Tiefgang aus.
3. Die großen Schiffe auf dem Seeweg sind die wirtschaftlichste Möglichkeit, Container von Rotterdam nach HH zu transportieren, und deshalb wird es so praktiziert. Etwas teurer sind die kleineren Feederschiffe, die der Autor ignoriert hat, warum? Viele liegen auf Reede und warten dringend auf Ladung, die es aber nicht gibt. Der Landweg ist (abgesehen vom Luftweg) die teuerste Transportmöglichkeit und scheidet schon aus ökonomischen Gründen aus.
4. Es liegen über 10 Jahre Erfahrung mit der Schiffsklasse vor, die 2 komplette Containerstapel übereinander transportiert. Die Tiefgänge sind in etwa konstant und werden es bleiben, egal ob 7000 oder 18000 TEU. Drei Containerstapel übereinander wird es schon aus logistischen Gründen nicht geben, denn irgendwann muss man auch an den untersten ran. Tauchtiefe aber ist einfache Physik und der Hinweis darauf stammt von der Webseite der Elbvertiefer selbst.
5. Derzeit bleiben keine Container wegen der zu flachen Elbe in Rotterdam oder anderswo stehen.
Warum also sollten — wie der Autor behauptet – ohne Elbvertiefung 2025 in Rotterdam Container stehen bleiben und mit LKW nach Hamburg transportiert werden? Was sollte sich an den heutigen Eckdaten und Fakten bis 2025 ändern? Antwort: Gar nichts! Daher ist die Prognose für 2025 auch ganz einfach, es bleibt alles wie es ist – und LKW-Kolonnen sind nur schlechte Propaganda von Leuten, die vor einem Jahrzehnt händeringend nach einem Umweltsiegel für das Projekt Elbvertiefung gesucht haben. Wenn man ein Projekt verkaufen will, sind Argumente wie Arbeitsplätze, Umweltfreundlichkeit etc. unerlässlich – auch wenn das Gegenteil der Fall ist. Und so begann auch die Märchenstunde, die die Elbvertiefung klimafreundlich machen sollte.
Wenn man selektiv nur CO2 betrachtet, das Schweröl mit allen anderen Schadstoffe und das Fehlen der Abgasreinigung, die Zerstörung der Flussmündungen und die Zunahme der Hochwassergefahr ignoriert, kann man nicht mehr zu einem realistischen Ergebnis kommen. Große Schiffe quasi „an Land“ fahren zu lassen, ist gewiss nicht umweltfreundlich. Aber anscheinend ist das Märchen trotz aller Fakten nicht totzukriegen. Jetzt wärmt sogar DIE ZEIT das wieder auf und mit Sicherheit fallen wieder Leute drauf rein. Viele können Fakten und Meinungen nicht unterscheiden, oder ignorieren die Fakten und glauben stur an das, was man ihnen vorsetzt. Wir prüfen, bevor wir etwas behaupten, aber viele lesen einfach die Hamburger Presse und wissen gar nicht, wie nachprüfen geht.
Nachdem die Schiffe – anders als die Planer angenommen haben – länger und breiter, aber nicht tiefer geworden sind, sollte man die sinnlose Zerstörung durch Vertiefung endlich aufgeben und bedarfsgerecht die Begegnungsmöglichkeiten verbessern. Das würde dem Zugang zum Hamburger Hafen wirklich etwas bringen. Hinter vorgehaltener Hand sagen das auch die Lotsen, aber öffentlich traut sich keiner von ihnen.
Woran es auf der Elbe wirklich mangelt, das wäre ein Thema für DIE ZEIT gewesen, bei dem sie auf ihrem Niveau hätte punkten können.
Vielleicht bringt ja die schallende Ohrfeige aus Leipzig Bewegung in die Hamburger Betonköpfe.