Hamburg hat noch einmal ein unglaubliches Schwein gehabt

„Zu jeder Zeit war und ist das Ereignis unter Kontrolle“, sagte der Hamburger Wirtschaftssenator Frank Parteilos auf einer Podiumsdiskussion der Elbe-Seaports laut NEZ in den Cuxhavener Hapag-Hallen. Auch an vielen anderen Stellen hört und liest man in den Medien, dass die Lotsen das Schiff kontrolliert an die Böschung manövriert hätten – leider alles nur Seemannsgarn.

Wie man das mit blockiertem Ruder bei Seitenwind und ca. 12.000 m² Segelfläche macht, bleibt ihr Geheimnis. Die genauere Betrachtung des Kurses ab Sekunde 12 der Zeitraffer-Animation zeigt die Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit.

Tatsache ist, dass das Schiff nach Südost lief, steuerungsunfähig wurde und bei Westwind mit relativ hoher Fahrt (13 kn lt. marinetraffic) vom Kurs abkam. Zunächst schwenkte der Bug in den Gegenverkehr und das entgegenkommende Feederschiff „Empire“ konnte einer Kollision nur knapp durch einen eigenen Schlenker entgehen, bevor die „CSCL Indian Ocean“ gegen die nordöstliche Unterwasserböschung gedrückt wurde. Es war nur eine Sache von Sekunden oder bestenfalls Minuten, und es hätte gekracht, direkt vor den Augen der Wasserschutzpolizei auf der „Bürgermeister Weichmann“.

Die Geschwindigkeit wird in verschiedenen Quellen mit 7,8 bis 13 kn angegeben, jedenfalls genug, um das Schiff vor allem am Bug deutlich anzuheben. In der Vergrößerung der Bilder kann man erkennen, dass das Schiff am Bug eine Tauchtiefe von 10,2 m hat. Der Tiefgang war mit 11,6 m angegeben, das Mittaghochwasser lag 20 cm unter dem Nachthochwasser. Daraus errechnet sich 11,6 – 10,2 = 1,4 m. Davon noch abgezogen die Wasserstandsdifferenz 0,2 m ergibt eine Anhebung des Bugs um 1,2 m.

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Um 1,20 m war der Bug der „CSCL Indian Ocean“ beim Auflaufen auf die Böschung angehoben worden

So lag das Schiff schon beim Auflaufen mit ca. 15.000 t auf der Böschung. Bei Ebbe mit 3,5 m niedrigerem Wasserstand erhöht sich dieser Druck bis auf ca. 60.000 t oder mehr.

Angesichts dieser Zahlen wird klar, dass das Abpumpen von 2000 t Treibstoff einen anderen Grund hatte, als das Schiff zu leichtern. Damit sollte in erster Linie die zu befürchtende Umweltkatastrophe im Falle des Totalverlustes verringert werden.

Ungünstig wirkt auch der West- und Südwestwind. Zudem hat sich der Schiffsboden am Feinsand festgesaugt, der sehr ungünstige Eigenschaften hat. Treibsand, Mahlsand, Fließsand oder auch Zugsand wird er genannt, und der hat schon viele Schiffe für immer festgehalten, wie z. B. die „Ondo“ oder die „Fides“ auf dem großen Vogelsand.

Aus diesen Gründen waren alle bisherigen Schleppversuche aussichtslos und vergeblich. Unter Kontrolle ist da gar nichts, noch nicht einmal das Mundwerk dieses Senators. Unwillkürlich fühlt man sich an den bekannten Ruf erinnert, den man bei den Hafenrundfahrten regelmäßig zu hören bekommt: „He lücht!“

Für Dienstagmorgen ist mit fast + 1 m ein deutlich höheres Hochwasser vorhergesagt. Das kommt schon nahe an die 1,20 m heran. Zudem ist ein Hochseeschlepper mit 200 t Pfahlzugkraft angefordert. Ob er seine volle Kraft auf die Poller des Schiffes übertragen kann, ist bisher nicht bekannt. Beim geplanten Schleppversuch sollen Schlepper mit insgesamt 1.000 t Pfahlzug zum Einsatz kommen.

Allerdings wird es sehr stürmisch sein, Windstärke 7-10 sind vorhergesagt. Das bedeutet bei der Segelfläche von ca. 12.000 m² einen Druck von mindestens 400 t gegen die Böschung. Zumindest stehen die Chancen beim nächsten Schleppversuch deutlich günstiger. Misslingt er aber, wird man wohl nicht um das Leichtern der Ladung herumkommen.

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Das Regionale Bündnis gegen Elbvertiefung verteilte Flyer zum Thema Havarierisiken durch Mega-Schiffe auf der Elbe

Das Regionale Bündnis gegen Elbvertiefung hat am Sonntag, 7. Februar 2016 spontan am Lüheanleger demonstriert und den Flyer zum Thema Havarierisiken verteilt. Die Mehrheit nahm ihn gern – von einigen Opfern der Hamburger Propaganda einmal abgesehen.

Diese Havarie zeigt aber wohl auch dem Letzten, dass unsere Warnungen keine Theorie sind, sondern einen ganz realen Grund haben. Im zu engen und zu langen Fahrwasser der Elbe ist der Schiffsverkehr deutlich gefährlicher, als auf offener See. Die Schiffsversicherer werden das auch zur Kenntnis nehmen und möglicherweise die Prämien für solche Mega-Schiffe mit Kurs Hambur risikogerecht anpassen.

"CSCL Indian Ocean" vor der Bergung
„CSCL Indian Ocean“ vor der Bergung
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„CSCL Indian Ocean“ unmittelbar nach der Bergung

Der Pressesprecher des Havariekommandos, Michael Friedrich, sagte am 24.02 2016 in Bremen: „Während des Studiums dachte ich, technische Ausfälle und Strandungen sind etwas Seltenes, heute weiss ich, dass es fast täglich in der Nordsee vorkommt.“

Seemannsgarn
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