Brandaktuell aus "Dat Ole Land", Ausgabe Februar 2011:

Was wird wohl aus ihr – aus unserer Elbe, die Anfang des 19. Jahrhunderts und vor der ersten von mittlerweile acht Elbvertiefungen im Jahre 1818 ein natürlicher Fluss mit Wassertiefen zwischen drei und vier Metern war? Und was wird aus dem Alten Land, wenn die Elbe in Zukunft kein Fließgewässer mehr ist, in und an dem neben den großen Pötten auch die Umwelt und die Menschen ihren Platz haben, sondern ausschließlich Fahrrinne für die Megaklasse, wie tief diese in Zukunft auch immer werden mag – einzig und allein den wirtschaftlichen Interessen Hamburgs unterstellt, ohne Rücksicht auf das Leben der Menschen hier, die teilweise seit Generationen im Einklang mit der Elbe – und im übrigen auch mit der Schifffahrt – ihre Existenzen hinter den Deichen haben? Mit dem Sturmflutrisiko leben wir Altländer seit Jahrhunderten, die älteren Generationen haben die letzte verheerende Sturmflut von 1962 noch allzu gut im Gedächtnis. Wie gut, dass unsere Deiche höher und sicherer geworden sind! Aber wird uns das etwas nützen? Wird uns das etwas nützen, wenn die 9. Elbvertiefung zur Fahrrinnenanpassung auf 15,9 -17,1 unter SKN durchgeführt wird!?

Und was passiert nach der geplanten größten Elbvertiefung aller Zeiten? Kommt dann die allergrößte Elbvertiefung aller Zeiten!? Im Jahre 2000, drei Wochen bevor die letzte Maßnahme den offiziellen Abschluss fand, wurde bereits die nächste gefordert!

Während die Holländer sich hinter gigantischen Deichen und Sperrwerken an der Küste verschanzen, werden hier den Naturgewalten die Tore bis ins Hinterland aufgestoßen. Die Pegelstände in der Elbe steigen ebenso wie die Fließgeschwindigkeiten, Uferbefestigungen werden mitgerissen, und Sturmflutprognosen treiben einem den kalten Angstschweiß auf die Stirn. (Haben Sie schon einmal versucht, eine Elementarschädenversicherung inklusive Sturmflutschäden für Ihr Haus abzuschließen?) Während der Sauerstoffgehalt mit verheerenden Folgen für den Fischbestand sinkt, steigt der Salzgehalt mit nicht weniger verheerenden Folgen für den Obstbau. Und auf der anderen Seite? Auf der anderen Seite sind eben die von der anderen Seite, die schon von jeher einen irritierenden Umgang bei Interessenkonflikten mit den übrigen Anrainern der Elbe pflegten, erinnert die aktuell geführte Diskussion um die Elbvertiefung doch stark an das Prozedere am Mühlenberger Loch  – und sie bauten doch! Und auch folgende historische Begebenheit beweist, dass die Hamburger von jeher nicht beim ‚Klaun, klaun, Äppel wüllt wie klaun‘ auf der anderen Seite des ‚Zaunes‘ belassen haben:

Im Jahr 1259, als die Stadt Stade vom Bremer Erzbischof Hildebold das Stapelrecht erhalten hatte und von passierenden Händlern forderte. dass sie ihre Waren für die Dauer von drei Wasserzeiten, also eineinhalb Tagen, innerhalb der Stadt anbieten sollten, legte Hamburg eine Urkunde mit einem älteren Privileg vor. Demnach hatte Kaiser Barbarossa der Stadt am 7. Mai 1189 einen Freibrief ausgestellt, der ihr die Zollfreiheit bis zum Meer garantierte. Heute ist nachgewiesen, dass es sich bei dieser Urkunde um eine Fälschung aus der Mitte des 13. Jahrhunderts handelt. (Quelle Wikipedia).

Wir-brauchen-keine-Elbvertiefung.de! Da ist sich das Regionale Bündnis gegen die Elbvertiefung sicher und belegt entgegen Hamburger Angaben, dass schon heute die gesamte Mega-Klasse weitgehend tideunabhängig in den Hamburger Hafen ein- und ausläuft. (Lesen Sie die gesamten Daten und Fakten auf der Webseite des Bündnisses nach!) Inge Massow-Oltermann und Karin Hansen gehören zu der rund 10 Frau und Mann starken Truppe ‚Interessengemeinschaft Altes Land‘, die gemeinsam mit dem Regionalen Bündnis gegen die geplante Elbvertiefung kämpft. Massows Haus steht rund 250 Meter vom südlichen Fahrrinnenrand entfernt direkt am Elbdeich, das und vieles mehr hat sie kurz vor Weihnachten den Herren Ahlhaus, Scholz, Ramsauer, Ferlemann und McAllister in einer langen EMail mitgeteilt. "Nicht weil ich glaube, dass sich dadurch etwas ändert, aber man muss das doch mal loswerden!", macht die engagierte Altländerin sich Luft. "Wir werden das unglaubliche Gefühl nicht los, dass Hamburg nicht verstehen kann oder nicht verstehen will, warum wir Angst vor einer erneuten Elbvertiefung haben", so Hansen und Massow, "und auf der anderen Seite haben wir lange nicht verstanden, warum Harnburg diese Vertiefung unbedingt will." Heute ist sich das Bündnis sicher, dass Harnburg die Elbvertiefung braucht, weil die chinesische Reederei COSCO die Elbvertiefung für eine finanzielle Beteiligung am Hafen voraussetzt! Karin Hansen hat die Sturmflut von ’62 nicht vergessen: "Mein Vater war damals Deichgeschworener und hat schon vor einem halben Jahrhundert gewarnt: Leute, seid vorsichtig! Die Eibe läuft Euch aus dem Ruder."

So scheint uns Altländern nichts anderes übrig zu bleiben, als von Generation zu Generation immer wieder für unsere Sicherheit hinter den Deichen zu kämpfen. Aber ist uns das hinreichend bewusst!? Die Interessengemeinschaft Altes Land hat das Gefühl, dass "Großteile der Bevölkerung die Dramatik noch nicht begriffen hat." Eine Karte zeigt eindrucksvoll, an welchen Stellen das Alte Land über, auf und unter dem Meeresspiegel liegt. "Da kann man sich dann selber ausrechnen, dass einem das Wasser bis zum Halse steht, wenn der Deich bricht  – und zwar nicht nur demjenigen, der in 1. Reihe hinter dem Deich wohnt!"

Hinsichtlich der geplanten neunten Elbvertiefung kommt es jetzt darauf an: Die Unterlagen sind inzwischen der EU vorgelegt worden, die Entscheidung aus Brüssei ist ab Mitte 2011 zu erwarten. Sollte diese ‚pro Elbvertiefung‘ ausfallen, ist der sofortige Beginn der Baggerarbeiten nur mit einer gerichtlichen Eilverfügung und einem anschließenden Klageverfahren zu verhindern.

Deshalb werden am Samstag, dem 29. Januar, um 17.00 Uhr wieder Tausende Menschen entlang der Elbe Fackeln entzünden, um gegen den unverantwortlichen Wahnsinn der geplanten Elbvertiefung zu demonstrieren. Ganz nach dem Motto: Wer kämpft, kann gewinnen, wer aufgibt, hat schon verloren!

Sind Sie dabei?

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Elbe-Verlags, Ralf+Jan Tiedemann

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